Japan – Golfen in einer anderen Welt

Das Land Japan hat mich schon immer fasziniert – seine Kultur, seine Leute, seine Landschaft. Umso mehr freute es mich, als ein beruflicher Aufenthalt in Tokio im November letzten Jahres mir die Möglichkeit eröffnete das Land näher kennenzulernen. Schon häufig hatte ich zuvor gehört, dass Japaner absolut golfverrückt sind und das Land eine sehr hohe Golfplatzdichte aufweist. Folglich nahm ich mir vor, meinen Aufenthalt um eine Runde Golf in Japan zu ergänzen.

Lost in Translation

Um mich optimal vorzubereiten, kämpfte ich mich durch verschiedene Internetforen. Schnell wurde deutlich, dass  gerade die sprachlichen Hürden eine Herausforderung darstellen würden. So gestaltete sich die Auswahl eines Golfplatzes und eine entsprechende Startzeit-Reservierung als schwierig, da nur wenige japanische Golfclubs eine Homepage in englischer, geschweige denn in deutscher Sprache führen. Auch eine Korrespondenz per Email oder Telefon erwies sich aufgrund der Sprachbarriere als nicht zielführend. Interessanterweise stellte ich fest, dass sich sogenannte Broker diese Kommunikationshürde zu Nutzen gemacht haben und gegen Entgelt Reservierungen für nicht japanisch sprechende Golftouristen anbieten. Allerdings erschienen mir Gebühren von z.T. über €100 als nicht angemessen, sodass ich auf diesen Service verzichtete. Nach intensiver Recherche musste ich mir eingestehen, dass ich ohne Hilfe nicht weiterkommen würde. So entschied ich mich mein Glück direkt vor Ort zu suchen und reiste lediglich mit einem Golfoutfit, sechs Bällen, drei Tees und einer Pitchgabel nach Japan.

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Ich verdanke es dem glücklichen Umstand, dass meine Weiterreise vom Tokioter Flughafen Richtung Innenstadt aufgrund des Umstiegs auf den Zug etwas Wartezeit mit sich brachte. Diese nutzte ich kurzerhand um mich am allgemeinen Inforationsschalter am Flughafen hinsichtlich Golfplätzen schlauzumachen. Die Damen am Infoschalter sprachen zwar nur sehr gebrochen Englisch und waren sichtlich erstaunt über meine doch recht ungewöhnliche Golfanfrage, waren aber ansonsten sehr zuvorkommend. So gelang es Ihnen meine wilden Gesten richtig zu deuten und eine Startzeit in einem für mich gut erreichbaren Golfclub im gewünschten Zeitfenster zu reservieren. Die Wahl fiel dabei auf den AKABANE GOLF CLUB im Norden von Tokio.

Schon früh machte ich mich an einem sonnigen und mit ca. 15 Grad doch recht angenehmen Samstag morgen von meinem Hotel in Richtung Golfplatz auf. Das sagenumwobene Tokioter U-Bahn-Netz erstreckte sich tatsächlich so weit, sodass eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln problemlos möglich war. Zu meiner Überraschung erspähte ich bereits in der U-Bahn eine nicht unerhebliche Anzahl Japaner, die mit ihrem Golfbag wohl ebenfalls auf dem Weg zu einem Golfplatz waren. Am Zielbahnhof angekommen wurde ich zusammen mit weiteren Gästen des Golfclubs von einem eigens für diesen Zweck bereitgestellten Shuttlebus abgeholt und zum nahegelegenen Golfclub gebracht. Noch vor Betreten des Clubhauses wurde das Golfgepäck der Golfer für den späteren Transport zum ersten Abschlag entgegen genommen.

Service wird großgeschrieben

Das Clubhaus selbst war von beachtlicher Größe. Der Eingangsbereich mit Rezeption und Proshop vermittelte einen Eindruck wie der eines oberklassigen Hotels. Die Rezeption alleine wurde von vier Mitarbeiterinnen bedient. Weitere Mitarbeiter waren für Servicetätigkeiten, wie das Aufhalten von Türen, den Transport von Golfbags oder zur Erteilung von allgemeinen Auskünften abgestellt. Diese beachtliche Anzahl von Mitarbeiter war jedoch auch nötig um der Vielzahl von Golfern, die sich an diesem Morgen im Golfclub eingefunden hatten, Herr zu werden. Wie ich zuvor im Rahmen meiner Internet-Recherche erfahren hatte, ist es durchaus verpönt spielbereit im Golfoutfit im Golfclub zu erscheinen. Stattdessen legt der Japaner auch neben dem Golfplatz einen hohen Wert auf Etikette und hält sich nur in formeller Kleidung im Clubhaus auf. Tatsächlich erschienen fast alle Japaner im Anzug bzw. im Kostüm. Wie allgemein in Japan üblich ist der Umgang miteinander sehr höflich und zuvorkommend, sodass trotz der Vielzahl an Menschen eine entspannte Atmosphäre herrschte.

Bei meinem Check-In an der Rezeption erhielt ich nicht nur eine Scorecard, sondern auch einen Schlüssel für ein eigenes Schließfach in der Umkleide. Die Umkleide selbst war mit Teppich ausgelegt und vermittelte einen edlen Eindruck. Ihre Größe ähnelte der einer Turnhalle und die Schließfächer erstrecken sich über ca. 20 Reihen. Der angeschlossene Dusch- und Wellnessbereich war ebenfalls sehr groß. Badetücher, Pflegeprodukte sowie recycelbare Kämme standen zur freien Nutzung bereit.

Nachdem ich mich aus meinem Anzug geschält und meine Golfkleidung angezogen hatte, wurde ich von einem Mitarbeiter zu einem weiteren Shuttlebus begleitet. Dieser pendelte zwischen Clubhaus und erstem Abschlag über eine Strecke von 200m. Diese hätte sicherlich auch zu Fuß zurückgelegt werden können. Wie man mir jedoch erklärte, genießt der Japaner den Komfort.

Dem ersten Abschlag war ein vergleichsweise großes Areal vorgelagert. Dieses umfasste ein Übungsgrün, einen Chip- und Pitchbereich, sowie eine kleinere Hütte, die vom Golfclub als weiteres Büro verwendet wurde. Um einen reibungslosen Spielablauf zu begünstigen, wurden von dieser per Lautsprecher die Golfer ausgerufen und zum Abschlag aufgefordert, sobald diese an der Reihe waren. Ferner beherbergte das Areal ein Zelt, in dem die Golfer ihr zuvor aufgegebenes Golfbag entgegen nehmen konnten. Hier erhielt ich auch mein Leihschlägerset der Marke Nike, welches nach meiner ersten Inspektion sich als neuwertig und unbenutzt erwies. Ferner standen Caddies zur freien Verwendung bereit, die, soweit ich erkennen konnte, von allen Golfern genutzt wurden. Golfer mit eigenen Caddies konnte ich den ganzen Tag nicht entdecken.

„Strohhalmziehen“ zum Start

Nach Aufruf meines Namens, den ich nur schwer als solchen identifizieren konnte, traf ich am ersten Abschlag auf meinen mir zugewiesenen Flightpartner Takeshi, einen pensionierten Japaner, der sich als sehr dankbarer und hilfsbereiter Spielpartner erwies. Dennoch reagierte er zunächst sehr verdutzt, als ich ihn zwecks Festlegung der Startreihenfolge nach seinem Handicap fragte. Schnell erkannte er jedoch mein Anliegen und verwies mich auf einen bereitstehenden Köcher, in dem sich kleinere Metallstangen mit einer jeweils unterschiedlichen Anzahl von Kerben befanden. Durch verdeckte Herausnahme der Stangen ermittelten wir, ähnlich wie beim „Strohhalmziehen“, wer als Erstes abschlagen durfte. Später erklärte er mir, dass viele japanischer Golfer nicht zwingend einem Golfclub angehören und somit kein offizielles Handicap besitzen. Auch meine Frage nach der Existenz einer Platzreifeprüfung verneinte er.

Meine Verwunderung nahm zu als ich bereits am ersten Abschlag Fangnetze entdeckte, die sich unmittelbar neben und über dem Abschlag befanden und somit nur ein eingeschränktes Fenster zum Durchspielen zuließen. Im Verlauf der Runde stellte ich fest, dass diese auch bei drei weiteren Abschlägen angebracht waren. Takeshi erklärte mir, dass diese verhindern sollen, dass die Abschläge zu weit abseits des Fairways landen und dass eine Berührung der Netze straflos bleibt bzw. eine straflose Wiederholung des Abschlags zulässt.

Nichtsdestotrotz (oder gerade deswegen) schaffte ich es bereits bei meinen ersten Drive den Ball auf dem Fairway der Nachbarbahn zu platzieren. Dies kommentierte Takeshi trocken mit den Worten „That’s a penalty“ und wies mich damit auf die doch eher ungewöhnliche Hausregel hin, dass das Verlassen der eigenen Bahn mit dem Ball mit einer Strafe von einem Schlag sanktioniert wird, auch wenn der Ball nicht im Aus liegt.

Als eher praktisch empfand ich eine ca. ein Meter hohe gelbe Fahne, die auf jeder Par 4- und Par 5-Bahn mittig auf dem Fairway platziert war. Wie mir Takeshi erklärte, befindet sich diese immer 250 Yards hinter dem Abschlag und unterstützt den Golfer somit bei der Abschätzung der Entfernung von Abschlag zum Vorderflight.

Besonders überrascht war ich vor der erstmaligen Annäherung zum Grün. Wie ich feststellte, besaß die Bahn zwei Grüns. Das zu bespielende Grün wurde mir durch den gesteckten Fahnenstock angezeigt. Wie ich von meinem Flightpartner erfuhr, ist die Anlage von zwei Grüns pro Bahn auf vielen japanischen Golfplätzen üblich. So werden die Grüns im täglichen Wechsel bespielt, wodurch sich die Golfclubs eine bessere Regeneration der Grünflächen erhoffen. Bei genauerem Blick auf meine Scorecard stellte ich auch tatsächlich fest, dass dort jeweils zwei Längenangaben pro Bahn aufgeführt waren.

Holzhammer und Spielfreude

IMG_1572Genauso verwundert war ich über etwas größere Holzhammer, die ich auf fast allen Abschlägen entdeckte und deren genauer Nutzen sich mir nicht direkt erschloss. Bei näherer Betrachtung stellte ich fest, dass es sich jeweils um einen Spitzhammer handelte. Diese wurden genutzt um Löcher in die Abschlagsfläche zu „stanzen“, in die anschließend die Tees gestreckt wurden.

Wie ich vor meiner Reise bereits im Internet gelesen hatte, ist nach neun Löchern längere Pause vor Fortführung des Spiels Pflicht. Takeshi und ich nutzten die Gelegenheit zur gemeinsamen Einnahme eines Mittagessens im Clubhaus.

Gestärkt ging es dann zurück auf den Platz. Mit zunehmendem Verlauf der Runde verflog meine Verwunderung und ging in reine Spielfreude über. Der Platz war trotz der späten Jahreszeit  in einem sehr guten Zustand. Landschaftlich war dieser toll angelegt und hielt neben einzelnen Teichen eine Vielzahl asiatischer Bäume und Pflanzen, darunter aber auch einige anmutig erscheinende Trauerweiden und Palmen. Der Platz lag direkt neben dem Fluss Arakawe und ließ nicht nur Blicke auf diesen, sondern auch auf die Tokioter Skyline in der Ferne zu. Einziges Manko des Golfplatzes war, dass das Areal bis in die 1970er Jahre Teil des Flusses war und die einzelnen Bahnen direkt auf dem ehemaligen Flussbett angesiedelt wurden. Der Boden war daher vergleichsweise hart und erschwerte gerade das Spiel mit hohen Eisen.

Die Rückkehr zum Golfclub nach Abschluss der Golfrunde gestaltete sich ähnlich problemlos. Mein Golfbag wurde hinter dem 18. Grün durch Mitarbeiter des Golfclubs in Empfang genommen. Auch stand der Shuttlebus zurück zum Clubhaus bereits zur Abfahrt bereit.

Bei Check-Out erwartete mich abschließend eine sehr angenehme Überraschung. So war der ganze Tag kostentechnisch deutlich günstiger ausgefallen als erwartet. Meine 18er-Runde Golf, das Leischlägerset, das Mittagessen sowie sämtliche Annehmlichkeiten wie Transport und Nutzung der Umkleiden und des Wellnessbereichs beliefen sich auf umgerechnet ca. €100 – ein meines Erachtens sehr fairer Preis!

Heute blicke zurück auf einen tollen Tag mit unzähligen Eindrücken und auf die Erfahrung Golf einmal ganz anders erlebt zu haben. Der Besuch eines Golfplatzes in Japan ist für jeden absolut lohnenswert, der Lust auf eine neue Erfahrung hat und bereit ist über Sprachbarrieren hinwegzuschauen.

 

Johannes Martin Wagner

Johannes Martin Wagner ist leidenschaftlicher Golfer und bloggt regelmäßig auf Instagram und Facebook. Dabei verfolgt er die Mission, Vorurteile des Golfsports zu analysieren und mit diesen aufzuräumen. www.instagram.com/golf_ist/

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