Künstliche Intelligenz gewinnt Buzzword Bingo

Wir schreiben das Jahr 2029. Ich sitze in einem kleinen Raum, es ist zugig und kalt. Mehrere Kerzen und der Bildschirm meines bereits in die Jahre gekommenen faltbaren Smartphones erhellen den Raum. Leise wabbert die Melodie von „Wind of Change“ durch den halbdunklen Raum und mischt sich mit dem Rauschen des eiskalten Windes, stark gedämpft durch meterdicke Betonwände und einer ebenso dicken Schneeverwehung.

Es ist nur wenige Wochen her, seit die künstliche Intelligenz Cllwynet aufgrund, ich kann es leider kaum anders beschreiben, akuter Langeweile einen verheerenden Atomkrieg ausgelöst hat.

Nach 10 Jahren voller langen und komplexen Berechnungen, einzig allein darauf ausgerichtet den perfekten Golfschläger zu bauen, kann man als künstliche Intelligenz schon mal der Aufgabe überdrüssig werden. Oder was hättet ihr gemacht, wenn ihr wie die gottähnliche Maschine gerade eben erst die unfassbare Menge von 1045 Trillionen verschiedener Optionen zur Lack-Molekülgröße am Schlägerkopf berechnet hättet? Jeder kann da mal einen schlechten Tag haben. Und wir dachten die letzten Jahre, dass die Gefahr von einem System namens Skynet kommen würde. Wie sehr haben wir uns getäuscht.

Für die hochentwickelte Intelligenz war die Übernahme der Welt letztlich ein einfacher Streich. Der Präsident mit der Meerschweinchenfrisur hatte seinen Atomkoffer nahezu zeitgleich auf dem Golfplatz vergessen. Bei einer legendären Runde mit nicht weniger als 12 Hole-in-Ones natürlich absolut verständlich. Die Übernahme der lang stillstehenden Regierung und der nuklearen Streitkräfte war danach ein Klacks. Und die Menschheit? Tja, jahrelang abgestumpft durch Caravan-Gewinnspiele und Whatsapp-Warnungen blickte sie dem Untergang regungslos entgegen…

Es musste letztlich irgendwann soweit sein. Das Wettrüsten der großen Schlägerhersteller auf der Suche nach der perfekten Länge, dem idealen Spin und dem besten Smash-Faktor ist möglicherweise etwas aus dem Ruder gelaufen…

Marketing-Buzzword-Bingo

Nun gut, stoppen wir die Dystopie an der Stelle. Ganz so weit sind wir noch nicht.

Ehrlich gesagt beneide ich die großen Golfequipment-Hersteller nicht. Die Herausforderung, in jeder Golfsaison das neueste und beste Equipment zu präsentieren, noch ein paar Meter aus den durchoptimierten Designs zu pressen und das auch noch gewinnbringend an die stagnierende Golfgemeinschaft zu verkaufen, ist vermutlich alles andere als nicht einfach.

Es war vermutlich daher wirklich nur eine Frage der Zeit, bis die Digitalisierung mit voller Macht im Schlägerdesign Einzug hält.

Was wurde alles eingebaut: Speed Pockets, Speedback-Technologie, Jailbreak, Triaxiale Carbon-Kronen, Dragonfly-Technologie, Twist-Face, Warp-Kern, Adamantium, um nur ein paar wenige Schlagwörter zu nennen.

Und jetzt das:

Ein Schläger, entwickelt in 15.000 Iterationen durch Artificial intelligence (A.I.!) und Machine Learning!

Das neue „Flash Face“ des Epic Flash wurde durch einen Supercomputer errechnet – „24 hours a day, seven days a week for four weeks straight“ (Zitat Golfdigest) Ein normaler Laptop hätte ganze 34 Jahre daran rumgerechnet. Ha, die kennen wohl meine Höllenmaschine noch nicht. 😉

Dank des aktuellen heiligen Grals „KI“, den Callaway mit der neuesten Entwicklung an sich gerissen hat, sind sie auf jeden Fall die aktuellen Sieger im Buzzword Bingo. Und wow, was für Videos wurden da veröffentlicht. Ich habe mir sagen lassen, dass Epic Flash auch im nächsten Avengers-Film mitspielt – der Launch-Trailer lässt auf jeden Fall bereits einiges vermuten.

Was ist eigentlich KI?

Leider mangelt es an einer genauen Definition von künstlicher Intelligenz, die viel zu oft als Sammelbegriff für nahestehende Anwendungsfälle verwendet und als Marketing-Schlagwort strapaziert wird. Fehlt eigentlich nur noch, dass irgendwo der Begriff Blockchain auftaucht.

Ich vermute, dass der Begriff Machine Learning für sich allein eigentlich viel genauer wäre und als Erklärung für das Design gereicht hätte. Allein: Das versteht auch keiner und hört sich nicht so geil an wie „Artifical Intelligence“.

Bei Machine Learning wird im Endeffekt ein System geschaffen, bei dem bestimmte Variablen in einen Algorithmus geworfen werden, Resultate begutachtet und weiterverarbeitet werden. Das System „lernt“ aus Fehlern, verändert Gewichtungen und Variablen und nähert sich im Idealfall einem Optimum an.

Mich überrascht es nicht, dass solche Techniken auch im Golf Einzug halten. Ich bin vielmehr überrascht: Erst jetzt?

15.000 Schritte waren jetzt nötig um Flash-Face zu konstruieren. Ist das nun die optimale Schlagfläche? Gibt es keine Steigerung? In der Theorie stelle ich mir zwei Möglichkeiten vor:

  1. Der Algorithmus ist so ausgereift, dass er tatsächlich den idealen Zustand einer Schlagfläche gefunden hat. Womöglich haben die letzten 1.000 Iterationen bereits gezeigt, dass es einfach nicht besser geht, oder…
  2. …es würde immer „besser“ werden, je länger man das Programm laufen lässt.

Wir werden es sehen. Letztlich scheint Machine Learning aktuell auch nur auf die Schlagfläche angewendet worden zu sein. Wenn diese bereits im ersten Produkt so ungewöhnlich anders aussieht, wie muss dann erst ein kompletter Schläger aussehen, der komplett der „KI“ überlassen wurde?

Aber am Ende ruht der Schlägergriff in den Händen eines Menschen…mit einer im Vergleich zur Maschine unfassbar hohen Fehlerwahrscheinlichkeit und all seinen Unzulänglichkeiten. Bei allen Optimierungen und dem Versuch, den perfekten Schläger zu konstruieren, der Durchschnittsgolfer wird auch dann noch den Schläger verziehen.

Aber hey, auch dieser Schläger wird gekauft. Vermutlich sogar in sehr ordentlichen Stückzahlen. Ich gönne es allen Golfern, die 530$ ausgeben möchten und können.

Möge die Macht mit ihnen sein. 😉

Leo.Soulgolfer

Seit 2013 dem Golfsport verfallen, ohne Aussicht auf Besserung. :) 85er Baujahr mit Faible für Fotografie, gutem Essen, Reisen... Hauptberuflich im Marketing in der Fotobranche. :)

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