Mein Olympia-Fazit

Am Sonntag sind die olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro zu Ende gegangen. Deutschland steht mit einem 5. Platz im Medaillenranking eigentlich ganz gut dar, falls darauf jemand Wert legt.

Das hat zwar wieder für die obligatorischen Diskussionen über Leistungsförderung geführt, aber „Gott sei Dank“ fängt ja bald wieder Bundesliga an. Das ist der Killer für jede Randsportartendiskussion.

Und was ist von der diesjährigen Olympia hängengeblieben?

Der Olympia-Sumpf

Die ganzen, im Vorfeld bereits von vielen Seiten vermuteten Korruptions- und Dopingvorwürfe haben sich wieder einmal bewahrheitet. Amerikanische Schwimmer haben randaliert und als Überfall getarnt und ein hochrangiger IOC-Funktionär wurde im Morgenmantel verhaftet. Grün gefärbte Becken, pfeifende Fans…Soweit, so gut.

Insgesamt passte Olympia damit in das mittlerweile alltägliche Bild von Sport-Großveranstaltungen ein. Und viele Sportler berichten von den schlechtesten Spielen, die sie besucht haben.

„Die Stimmung im deutschen Team ist gut, aber viele sagen, das sind die schlechtesten Spiele, die wir je hatten“ – Martina Strutz, Stabhochspringerin

Doch wenn der ganze Sumpf beiseitegelassen wird, gibt es etwas viel wichtigeres.

Die Sportler

Die vielen tausenden Sportler, die für ihre Nationen angetreten sind. Es wurde gekämpft, bis zur absoluten Erschöpfung „gegangen“, geweint und gelacht. Das war das eigentlich Interessante.

Das deutsche Team: Danny Sharp (Caddie Masson), Caroline Masson, Shaun Clews (Caddie Gal), Sandra Gal, Alex Cejka, Chris Berry (Caddie Cejka), Martin Kaymer, Herren-Bundestrainer Ulrich Zilg und Damen-Bundestrainer Stephan Morales (v.l.) (Foto: DGV)

Das deutsche Team: Danny Sharp (Caddie Masson), Caroline Masson, Shaun Clews (Caddie Gal), Sandra Gal, Alex Cejka, Chris Berry (Caddie Cejka), Martin Kaymer, Herren-Bundestrainer Ulrich Zilg und Damen-Bundestrainer Stephan Morales (v.l.) (Foto: DGV)

Auch wenn ich nicht täglich reingeguckt habe, so habe ich doch auch mal wieder ein paar Randsportarten gesehen, die ich schon lange nicht mehr wahrgenommen habe. Als früherer Kanufahrer fand ich es mal wieder richtig cool unsere Kanuten zu sehen, die leider durch den tragischen Tod ihres Trainers erschüttert wurden. Ich glaube, ich habe tatsächlich auch zum Ersten Mal überhaupt bewusst „Ringen“ gesehen.

Und natürlich, schließlich befindest du dich grade auf einem Golfblog, gab es auch endlich mal wieder olympisches Golf.

Ich war zu Beginn auch ziemlich skeptisch und meine Vorfreude hielt sich lange in Grenzen. Aber am Ende war ich doch halbwegs versöhnt mit dem Neustart.

Martin Kaymer mit seinem Caddie Craig Connelly (Photo by Chris Condon/PGA TOUR/IGF)

Martin Kaymer mit seinem Caddie Craig Connelly (Photo by Chris Condon/PGA TOUR/IGF)

Was ich richtig gut fand

 Das Siegerpodest (v.l.n.r.): Lydia Ko, Inbee Park und Shanshan Feng (Photo by Stan Badz/PGA TOUR/IGF)

Das Siegerpodest (v.l.n.r.): Lydia Ko, Inbee Park und Shanshan Feng (Photo by Stan Badz/PGA TOUR/IGF)

Die Medaillengewinner (v.l.n.r.): Henrik Stenson, Justin Rose und Matt Kuchar (Photo by Chris Condon/PGA TOUR/IGF)

Die Medaillengewinner (v.l.n.r.): Henrik Stenson, Justin Rose und Matt Kuchar (Photo by Chris Condon/PGA TOUR/IGF)

Trotz der zahllosen Absagen gab es unglaublich spannende Runden zu sehen. Die 4. Runde der Herren werde ich nicht so schnell vergessen, mit dem Showdown zwischen Rose und Stenson. Das war großes Kino und richtig schönes Golf.

Auch bei den Frauen gab es viele geniale Spielerinnen zu sehen und am Ende haben wir die ersten sechs MedaillengewinnerInnen im olympischen Golf. Ich hoffe, dass das Edelmetall auch wirklich hoch geschätzt wird und die Golfsportler, egal ob anwesend oder nicht, bemerken, dass es eine besondere Wertung hat.

Unsere Golf-Olympioniken haben insgesamt ein tolles Bild hinterlassen. Allen voran Martin Kaymer, der als Speerspitze der deutschen Golfer am stärksten im Fokus der Medien stand – und diesen Job hervorragend erfüllt hat. Von der ersten bis zur letzten Minute hatte ich den Eindruck: Martin Kaymer ist Olympia durch und durch. Ihr müsst nur mal einen Blick auf seine Facebook-Seite werfen. Nicht nur, dass er ein prallgefülltes Olympia-Fotoalbum vorweisen kann, nein, er hat auch alle seine Sportlerfreunde bejubelt und mit allen Sportarten mitgefiebert. Das ist echter Sportsgeist.

„Es war nicht nur als Sportler eine tolle Erfahrung, sondern auch als Mensch. Das war alles sehr beeindruckend“ – Martin Kaymer

Er wurde zum Ende sogar als einer der Favoriten für das Fahnentragen ins Spiel gebracht. Am Ende ist es, sehr verdient, der Kanute Sebastian Brendel geworden, aber immerhin: Allein die Diskussion und das Echo in den Medien haben vielleicht ein paar kleine positive Impulse für den Golfsport gebracht.

„Auch wenn es sportlich nicht so lief, wie ich mir das erhofft habe, muss man diese Erfahrung mitnehmen und hoffen, dass man in vier Jahren in Tokio nochmal dabei ist.“ – Sandra Gal

Aber nicht nur Martin Kaymer hat toll gekämpft. Auch Alex Cejka, Caro Masson und Sandra Gal haben sich als würdige Olympioniken ausgezeichnet, auch wenn es am Ende nicht für das Treppchen gereicht hat. Aber bei allen vier hatte ich den Eindruck, dass dieses Turnier doch etwas anderes ist als ein normales (Ladies) European oder PGA Tour Turnier und sie sich als Teil der deutschen Olympiamannschaft fühlen.

Wobei man das folgende Zitat von Alex Cejka auf verschiedenen Arten interpretieren kann:

„Was ich in den letzten vier, fünf Tagen gesehen habe, das vergisst man nicht.“

Sandra Gal belegt Platz 25 (Photo by Tristan Jones/IGF)

Sandra Gal belegt Platz 25 (Photo by Tristan Jones/IGF)

Caroline Masson wird 21. (Photo by Tristan Jones/IGF)

Caroline Masson wird 21. (Photo by Tristan Jones/IGF)

Und endlich gab es auch mal wieder „für umme“ Golf zusehen. Sei es hin und wieder bei ARD und ZDF, aber vor allem im Livestream. Leider war Damengolf voll in der Woche, so dass ich meine Schwierigkeiten hatte, dass mit meinem Berufsleben zu vereinbaren. Das ging beim Herrengolf deutlich besser, wo die Schlussrunde schön entspannt, wie sonst üblich, auf einen Sonntag fiel.

Mögliche Veränderungen

Eine bessere Golfberichterstattung

Dabei meine ich gar nicht mal die Kommentatoren, die bei vielen bereits wieder in heftiger Kritik stehen? Wer den Job über mehrere Stunden besser macht, sollte sich am besten JETZT mit einem Bewerbungsvideo für Olympia 2020 bewerben.

Eine Frage am Rande: Woher kommt es eigentlich, dass Kommentatoren oftmals so angefeindet werden? Das gleiche sieht man, in noch krasserer Ausführung, im Fussball, wo es regelmäßig wahre Hasstiraden gegen Rethy und Co zu lesen gibt. Sehr unschön!

Letztlich vergessen wir vielleicht oftmals, dass nicht jeder der Zuschauer so ein „Fachidiot“ ist wie wir. Manche Dinge müssen vielleicht auch vereinfacht ausgedrückt und über sieben Stunden auch in anderen Worten gesagt werden. Wenn sich auch mal Fehler einschleichen, geschenkt.

Trotzdem war ich teilweise schon enttäuscht, dass die Bildredaktion lieber immer am letzten (Haupt-) Flight klebte und die anderen, vor allem auch die deutschen Sportler, dann ziemlich vernachlässigt hat. In einer Damenrunde führte es dann so weit, dass die Schläge von Sandra Gal kommentiert wurden, aber die Bildredaktion nicht auf sie schneiden wollte, sondern lieber bei den Führenden dranblieb. Das könnte man wirklich verbessern.

Neuer Schwung für den Golfsport

Ob es dadurch wirklich neuen Schwung gibt, sei mal dahin gestellt. Zumindest habe ich bei meinen Kollegen, dass Martin Kaymer im Gespräch als Fahnenträger sei, nur einen verwirrten Blick geerntet: „Martin Kay…wer?“.

Ich mache mir keine großen Hoffnungen, aber hey, immerhin geht es uns besser als Judo oder der rhythmischen Sportgymnastik, oder? Trotzdem würde ich mir wünschen, dass Golf gezeigt hat, dass es doch funktionieren kann und auch in Tokyo 2020 dabei ist.

Zumindest der DGV ist voll überzeugt davon, dass der Erfolg grandios ist.

Mit Einschaltquoten von bis zu 5,22 Millionen Zuschauern und einer täglich mehrstündigen Berichterstattung im Livestream erhielt Golf eine große  Medienpräsenz.

„Unsere Athleten haben einen perfekten Job als Botschafter des deutschen Golfs und auch für den Golfsport insgesamt gemacht. Das Turnier ist ein gelungenes Comeback für unsere Sportart bei Olympia“ – DGV-Präsident Claus M. Kobold

Anderes Format

Bei vielen olympischen Sportarten gibt es sowohl Mannschafts- als auch Einzelwertungen. Warum nicht auch beim Golf? Eine Matchplaypartie in Teams über 2 Runden, vllt sogar mal eine ganz radikale Sprint6Golf-Runde über nur sechs Löcher mit Zeitbegrenzung.

Ich denke, da könnte man einiges rausholen, was sich dann auch von dem typischen Tour-Spielplan unterscheidet. „Wir Golfer“ stehen vielleicht darauf, in der Berichterstattung über vier Runden zu gehen, aber da steigen meiner Meinung nach viele Nicht-Golfer aus.

Oder ein Verfahren wie im Fussball: Mit einem klassischen Turnierbaum bis zum Finale…

Amateurgolfer

Das Thema Amateurgolfer sehe ich mittlerweile etwas zwiegespalten. In einem meiner letzten Beiträge zum Thema Golf bei Olympia habe ich noch darüber geschrieben. Der olympische Gedanke war bei mir eigentlich immer mit dem Amateurgedanken verknüpft und ist es auch immer noch.

Aber ich befürchte die Aufmerksamkeit könnte doch sehr leiden, wenn keiner der bekannten Spieler antritt.

Letztlich wollen wir doch immer wieder die bekannten Stars sehen, die möglichst gutes Golf auf den Platz bringen. Ob reine Amateurmannschaften die gleiche Faszination erzeugen können?

Im Fussball gibt es dadurch auch Mischungen mit Sonderregelungen, wieviele Hardcore-Profis und Spieler über 23 Jahren antreten dürfen. Auch bei einigen Tour-Turnieren können Amateure antreten, die sich teilweise sogar sehr wacker schlagen.

Vielleicht wäre also eine Mischung aus Profis und Amateuren machbar?

Nationale Entscheidungskämpfe und die Top 2 der Amateure und Top 2 der Amateure können antreten? Damit wäre das Feld deutlich größer, aber durch andere Spielformen könnte man das kompensieren, möglicherweise sogar Profi und Amateur im Matchplay kombinieren?

Letztlich hoffe ich, dass sich die Verantwortlichen gut überlegen, wie Golf bei der nächsten Olympia stattfinden kann und auch Vorschläge aus den nationalen Golfverbänden und der weltweiten Golfcommunity aufnimmt.

Zumindest äußert sich Peter Dawson, Präsident der International Golf Federation wie folgt:

„Wir sind überzeugt, dass die Werte unseres Sports sehr gut mit denen der Olympischen Bewegung übereinstimmen. Ich bin hoffnungsvoll und zuversichtlich, dass Golf auch über 2020 eine Rolle in den Olympischen Spielen haben wird.“

Unter dem Hintergrund der vielen Korruptionsvorwürfe und vielen anderen Problemen von Olympia hoffe ich jedoch, dass er ausdrücklich die olympische Grundidee und nicht die Werte des IOC meint!

Und dann war da noch:

Die Mücke mit dem Zika-Virus. Die hat nach dem ganzen Presserummel im Vorfeld anscheinend Urlaub gemacht. 😉

 

Und ihr? Wie war euer Eindruck von Olympia 2016?

 

(copyright Titelbild: IGF Golf)

Leo.Soulgolfer

Seit 2013 dem Golfsport verfallen, ohne Aussicht auf Besserung. :) 85er Baujahr mit Faible für Fotografie, gutem Essen, Reisen... Hauptberuflich im Marketing in der Fotobranche. :)

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2 Antworten

  1. Mario sagt:

    Moin Soulgolfer,
    deine Ausführungen sind mit meinen Gedanken sehr kompatibel und ich gehe über weite Strecken mit.
    Deine Idee mit den nationalen Ausscheidungen finde ich noch besser. Ich finde auch, das Amateure unbedingt mit zu Olympia müssen. Besser kann man die Jugend nicht fordern und es bringt auch Golf näher an das „Volk“ heran und gibt einfachen Golfern die Chance, ebenfalls ein Teil von Olympia zu werden. Und es würde dem „Golf Team Germany“ des DGV endlich einen Sinn geben. Denn bisher ist es nach den Kriterien zur Quali, vollkommen Sinnentleert.

    Hast du ggf Interesse, mit mir und anderen über das Thema auch in Form eines Podcast zu sprechen?
    Unter http://www.golf-podcast.de findest du ihn.

  1. 1. September 2016

    […] hier vielleicht outen, aber ich finde die Idee gar nicht so schlecht. Wie auch bereits in meinem Olympia-Fazit geschrieben, könnten schnellere Spielformen neue Golfturniere hervorbringen oder interessanter und […]