Visualisieren beim Golf – „Unser Körper hat seine Limits, unser Geist nicht“

Visualisierung im Golf

„Unser Körper hat seine Limits, unser Geist nicht“. Dieser Satz stammt von Tim Grover, Personal Trainer von Basketball Legende Michael Jordan und beinhaltet ein großes Stück Wahrheit. Wir arbeiten im Winter gerne an unserer Technik, um unserem Potential in der neuen Saison ein Stück näher zu kommen. Eine solide Technik ist beim Golf selbstverständlich wünschenswert und hilfreich. Doch wer sich mit Golf und vor allem Profi Golf auskennt, wird wissen, dass es mehr als nur einen Weg gibt, den Golfschläger zu bewegen und damit erfolgreich zu sein. Beispiele dafür gibt es unzählige: Angefangen bei Jim Furyk über Graeme McDowell, bis hin zur (derzeitigen) Nummer 1 der Welt, Dustin Johnson.

Sie alle zeigen, dass Ästhetik nicht alles ist. Gerade im mentalen Bereich gibt es Einiges, das man tun kann, um langfristig Erfolg zu haben, denn unser Kopf ist die Steuerzentrale unseres Körpers. Der Supercomputer zwischen unseren Ohren kann unser Golfspiel in die eine oder in die anderen Richtung lenken. Das Schöne: Wir können die Richtung beeinflussen.

Oberflächliche Ratschläge zur mentalen Seite des Spiels gibt es zuhauf und viele ranken sich um das Thema Visualisierung. Das ist durchaus berechtigt, doch für diejenigen, die sich nicht tiefer mit dem Thema auseinandersetzen, mag das Ganze belanglos und zu einfach klingen.

Dabei ist das Visualisieren aus dem heutigen Profibereich nicht mehr wegzudenken. Schon Jack Nicklaus hat vor langer Zeit einmal gesagt, er würde vor jedem Schlag „ins Kino gehen“ und sich den kommenden Schlag so gut als möglich vorstellen. Auch Tiger Woods nennt das Visualisieren als festen Bestandteil seiner Pre-Shot Routine und Jason Day spricht davon, sogar im Training keinen Schlag mehr ohne vorheriges Visualisieren auszuführen. Was im Profibereich nützlich ist, kann jedoch auch für Amateure aller Spielklassen von hohem Wert sein.

Studie zur Visualisierung

Wissenschaftler am olympischen Trainingszentrum in Colorado Springs, Colorado, haben Visualisierung auf den Prüfstand gestellt. College Golfer wurden von den Forschern in 3 Gruppen unterteilt. Alle 3 Gruppen sollten eine Woche lang täglich das Putten trainieren. Gruppe Nummer 1 wurde während des Trainings angewiesen, sich vor jedem Putt vorzustellen, wie der Ball ins Loch fällt.

Die Gruppe sollte sich jedoch nicht nur ein erfolgreiches Endergebnis vorstellen, sondern zudem eine optimale Puttbewegung sowie einen idealen Treffmoment visualisieren. Eine mentale Generalprobe mit optimalem Endergebnis sozusagen.

Gruppe Nummer 2 bekam keine besonderen Anweisungen und sollte wie gehabt trainieren.

Gruppe 3 wurde, wie Gruppe 1, zum Visualisieren angehalten. Anders als Gruppe 1 wurde Gruppe 3 jedoch mit dem Visualisieren von Fehlschlägen beauftragt. Spieler dieser Gruppe sollten sich vorstellen, wie der Ball knapp vor dem Loch zum Halten kommt, links oder rechts und mit der völlig falschen Geschwindigkeit am Loch vorbeiläuft und wie, die sonst so solide Bewegung, plötzlich den Geist aufgibt.

Vor und nach der Testwoche wurden die Gruppen einer Genauigkeitsmessung mit dem SAM PuttLab unterzogen. Das SAM PuttLab ist das, bis zum heutigen Stand, genaueste Messgerät von Puttbewegungen. Die Ergebnisse nach gerade einmal einer Woche des Trainings sind beeindruckend. Mitglieder der ersten Gruppe, die das erfolgreiche Ergebnis jeden Putts visualisiert hatten, verbesserten ihre Genauigkeit in nur einer Woche um 30%! Mitglieder der zweiten Gruppe, die wie immer trainierten, verbesserten ihre Genauigkeit um 11% und Mitglieder der dritten Gruppe, die das Verfehlen ihrer Putts visualisiert hatten, verschlechterten ihre Genauigkeit um 21%! Visualisierung hat einen unglaublich powervollen und effektiven Einfluss auf unser Golfspiel. Der Trick bei der Sache: Wiederholung. Die Ergebnisse am olympischen Trainingszentrum in Colorado kamen nur deshalb zu Stande, weil alle Testgolfer eine Woche lang konsequent vor jedem Putt visualisiert hatten.

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Fokus, Fokus, Fokus

Der wahrscheinlich berühmteste Sportpsychologe der Vereinigten Staaten, Bob Rotella, beschreibt in seinem Buch „How Champions Think“ („Wie Sieger denken“), dass Jack Nicklaus mehr Wert auf seine Vorbereitung und das Visualisieren legte, als auf das eigentliche Resultat des Schlages. Basketball Legende Michael Jordan meinte einmal, dass man Dinge erwarten muss, bevor man sie umsetzen kann. Bob Rotella ergänzt: „Es macht für einen Basketballspieler Sinn, seinen Kopf mit der Tatsache anzufreunden, dass er den Wurf versenken kann.“

Grund dafür ist der Fokus mit dem wir an etwas herangehen. Stellen wir uns unser gewünschtes Endresultat vor, so fokussieren wir uns auf etwas Positives und geben unserem Körper und unserem Unterbewusstsein eine genaue Zielvorstellung. Wir lassen uns weniger leicht ablenken und sind mit der Aufmerksamkeit bei dem, was wir mit dem nächsten Schlag erreichen möchten.

Die Psychologin Regina Pally beschreibt, dass Visualisierung aus folgenden neurowissenschaftlich bewiesenen Gründen Sinn macht: Bevor Dinge passieren, hat unser Unterbewusstsein bereits eine Vorahnung, was der wahrscheinlichste Ausgang der Situation sein wird und leitet daraufhin die notwendigen Wahrnehmungen und Gefühle sowie das notwendige Verhalten in die Wege, welche am besten zum vorhergesagten Ausgang passen. In anderen Worten heißt das: Wir lernen von der Vergangenheit und kreieren die Zukunft, die wir erwarten. Eine super Methode, um die Erwartungshaltung anzuheben und diesen Kreislauf positiv zu beeinflussen, ist das Visualisieren. Was das für Auswirkungen hat, soll folgendes Beispiel verdeutlichen:

Angenommen jemand gibt Ihnen die Aufgabe, von der einen Ecke des Raumes zur anderen zu laufen. Das ist selbstverständlich kein Problem für Sie, doch was, wenn Ihnen die Person plötzlich einen Stuhl in den Weg stellt? Da Sie Ihr Ziel kennen, ist auch das kein Problem, denn Sie können einfach und ohne großartig nachzudenken um den Stuhl herumgehen und danach wie gewohnt weiter zur anderen Ecke des Raumes gehen. Kennen Sie Ihr Ziel jedoch nicht, so bleiben Sie wahrscheinlich vor dem Stuhl stehen und wissen nicht weiter.

Unser Körper ist in der Lage, Hindernisse zu umgehen, wenn das gewünschte Endresultat klar ist und im Fokus unserer Aufmerksamkeit steht. In diesem Fall wissen Sie, dass Sie von der einen in die andere Ecke möchten und finden daraufhin eine Lösung, wenn sich etwas zwischen Sie und Ihr Ziel stellt.

Visualisieren auf dem Golfplatz

Ähnlich beim Visualisieren auf dem Golfplatz. Sie trimmen Ihren Körper durch die Vorstellung des gewünschten Endresultates auf Erfolg, indem Sie den Fokus auf das Wesentliche richten: Ihr Ziel. Je mehr Sinne Sie in den Prozess mit einbeziehen, desto besser.

Das Visualisieren per se kann unterschiedlich ausfallen. Manch einer schaut zur Fahne und stellt sich vor, wie sein Ball direkt daneben einschlägt, ein anderer folgt seinem imaginären Ball durch die Luft bis zum gewünschten Landepunkt und wieder ein anderer umkreist das Ziel gedanklich mit einem roten Kreis. Mit dem Visualisieren ist es wie mit vielem anderen auch: Erst durch Ausprobieren findet sich die individuell beste Option.

Der Golfschwung ist bekanntlich zu schnell, um ihn bewusst steuern zu können. Warum während einer Runde also nicht direkt auf das Ziel, statt auf den Schwung konzentrieren?

Apropos Ziel: Haben Sie schon einmal einen Dart-Spieler gesehen, der seine Augen vom Ziel abwendet? Wahrscheinlich nicht. Der Wurf eines Dartpfeiles ist wie der Golfschwung automatisiert und unterbewusst gesteuert. Da ein bewusstes Eingreifen den eingefleischten Mechanismus des Wurfes nur stören würde, konzentriert sich der Dartspieler voll und ganz auf sein Ziel. Er gibt seinem Unterbewusstsein dadurch einen Impuls und verdeutlicht, wohin er den Pfeil werfen möchte.

Beim Golf während der Ausführung eines Schlages auf das Ziel zu schauen wäre selbstverständlich kontraproduktiv, jedoch bedeutet das nicht, dass man beim Golf auch während des Schlages sein Ziel nicht fest im Auge behalten kann.

Versuchen Sie doch einmal Folgendes:

Wenn Sie Ihre Ansprechposition eingenommen haben und noch ein letztes Mal zum Ziel schauen, prägen Sie sich dieses Bild gut ein. Behalten Sie das Bild Ihres Zieles während der letzten Atemzüge über dem Ball und während des Schwunges vor Ihrem geistigen Auge. Schwingen Sie energisch und frei in Richtung Ziel. Diese Form des Visualisierens ahmt den Ablauf eines Dartwurfes nach und stellt sicher, dass Sie Ihren Fokus dort haben, wo er benötigt wird: Ihrem Ziel.

Weitere Trainingstipps findet ihr bei BelowPar.

BelowPar

Hinter BelowPar stecken Patrick und Freddy. Wir sind Brüder, Plus- und Singlehandicapper, Bundesliga Spieler und Blogger aus Leidenschaft. Wir möchten Klarheit, Einfachheit, Spaß und Lockerheit in die teilweise unverständliche Welt des Golftrainings bringen und Ihnen dabei helfen, Ihre Ziele in diesem wunderschönen Sport zu erreichen, denn wir sind davon überzeugt, dass jeder deutsche Golfer im Schnitt 10 Schläge pro Runde sparen kann, wenn er Zugang zu den richtigen Informationen hat.

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1 Antwort

  1. Klasse Artikel mit Inspiration. Danke dafür. Das fehlt mir. Mit dem Visualisieren habe ich echt Probleme. Damit muss ich mich noch näher beschäftigen. Schaue gerne mal wieder vorbei.
    Mit freundlichen Grüßen
    Jörg Rothhardt